von Assi » 23. Feb 2010 11:32
Von Weuste.de:
Abmahnanwalt Günther Freiherr von Gravenreuth begeht Selbstmord
Februar 22nd, 2010
“Günni ist weg vom Fenster, … endlich!” mag die erste Reaktion vieler Internet-Interessierter sein, die die Machenschaften des einstigen Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuths in den letzten 18 Jahren verfolgt haben. Bekannt geworden war er ‘92, als er auf Annoncen in Computerzeitschriften reagierte und als “Tanja Nolte-Berndel (15)” per Brief um Raubkopien bekannter Spiele bettelte, um später die Anbieter abmahnen zu können. Um überzeugender zu wirken, legte er Fotos einer Jugendlichen bei und appelierte an die Solidarität der Adressaten. Leider kam er mit dieser Masche, erst Köder auszuwerfen und dann zuzuschlagen, durch und erntete nur harsche Kritik von Geschädigten und Kollegen. Die breite Masse bekam davon vor den Zeiten von Suchmaschinen noch nichts mit.
In seiner Geldgier entwickelte er immer pervidere Abmahnmethoden und machte z.B. Ansprüche von Mandanten geltend, die sich in ihrem Markenrecht zweifelhafter Marken wie “Rainbow”, “Ballermann” oder sogar “Explorer” verletzt füllten. Die Berechtigung der Abmahnung ist nicht nur unter Laien nach wie vor umstritten.
Viele haben sicherlich das Geschehen mitverfolgt, als er die Domain “taz.de” der Tageszeitung pfänden lies und versuchte diese zu versteigern, da er angeblich eine geforderte Geldsummer aus einer einstweiligen Verfügung nie bekommen haben sollte. Der Empfang konnte ihm aber nach einer Hausdurchsuchung nachgewiesen werden. Man hatte ein Fax gefunden, das den Erhalt bestätigte. Laut F. v. Grafenreuth habe er dieses Schriftstück wohl nie zu Gesicht bekommen und sei im “Chaos seines Büros” untergegangen. Nach einigen Geldstrafen, zivilrechtlichen Auflagen und Bewährungsstrafen wurde er schliesslich am 17. September 2008 zu 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt und sollte eigentlich im Februar 2010 seine Haftstrafe antreten. Dieser Strafe kam er zuvor und schloss in der Nacht zum 22. Februar mit seinem Leben ab. “Finanzprobleme, die nicht ausgestandene Strafsache, der Verdacht auf Krebs – letztlich aber schwere Beziehungsprobleme und der Entzug seines sozialen Umfeldes, sind laut seinen letzten Worten die Hintergründe” teilte Steffen Werney (Mitgründer des Chaos Computer Club) Golem.de mit. Neben dem CCC hatten auch einige andere WebGemeinden eine Abschiedsmail erhalten.
Was soll man dazu sagen? Wenn man resümiert, bleiben auf der einen Seite Luxus ohne einen Finger krumm zu machen sowie zweifelhafte (geschäftliche) Beziehungen und auf der anderen Seite eine nie zufriedenstellende Raffgier, Beziehungsprobleme bis hin zur sozialen Vereinsamung, Hass und Rachegefühle der Geschädigten, eventuelle Schuldgefühle und unter Umständen auch psychosomatische Krankheiten, schliesslich der Freitod.
War’s das wert? Kann eine schicke Villa mit davor geparktem Luxussportwagen den Rest überwiegen? Wie sieht es mit der aufgeladenen Schuld aus? Muss man sich am Ende nicht nur vor dem Menschen verantworten? Können einem die Menschen vergeben? Kann man sich denn selbst vergeben?
Ich mache keinen Hehl darum, dass mir manchmal echt die Galle hochkommt, wenn ich von Abzockern und Abmahnern lese, die scheinbar ohne rechtliche Handhabe ihrem anrüchigen Gewerbe nachgehen. Aber mir jedenfalls tut’s jetzt leid, was aus einem ehrgeizigen Menschen geworden ist, der mit mehreren Abschlüssen auch ehrhaften Tätigkeiten hätte nachgehen können und sich so auch ein ordentliches Leben hätte leisten können. Es musste nicht so enden.
Umkehr ist möglich!
Vergebung erleichtert ungemein. Viel mehr als die häftigsten Rachegelüste.
Eine Zurückkehr auf dem Pfad der Tugend wünsche ich auch F.v. Gravenreuths langjährigem Gefährten Bernhard Syndikus (Syndikus: Firmenanwalt, griech. σύνδικος), den Abofallen-Brüdern Schmidtlein, dem Kochbuch-Abzock-Pärchen Knipp (Foto-Abmahnung), dem Ex-Dialer-König Mario Dolzer und den ganzen anderen Kriminellen da draussen, die Gesetzeslücken ausnutzen und unbescholtene Bürger auf ihren Leim locken. Und den urteilenden Richtern wünsche ich komplette Unbefangenheit, juristischen Sachverstand, das Gesetz auch so auszulegen, dass es den anständigen Bürger schützt und sich nicht als Werkzeug von Betrügern missbrauchen lässt.
Kleiner Tipp an alle (Hobby-)Journalisten. Verzichtet auf Links zu den Abzockeangeboten. Gerade diese Links von Kritikern verhelfen nur zu einem besseren Google-Rank der Seiten, die eigentlich irgendwo im Sediment der Suchtreffer verschwinden sollten.